Über die Notwendigkeit, Musik zu vermitteln
06/2025
Musiker oder Musikerin zu sein bedeutet ohne Zweifel jahrzehntelanger Fleiß am Instrument oder der Stimme, ein immer weiter Dranbleiben seit der Kindheit, auch wenn es mühsam wird. Die Aufs und Abs aushalten, durch Rückschläge hindurchgehen und immer wieder Höchstleistungen auf Knopfdruck abrufen können. Doch reicht es wirklich aus, „nur“ auf höchstem Niveau musizieren zu können? Am besten noch fehlerfrei - aalglatt wie eine KI es bereits kann? Ist das das Ziel?
Manche denken jetzt vielleicht: Ja, das muss reichen. Ich habe so viel investiert – Zeit, Geld, Nerven, körperliche und psychische Kraft. Das ist vollkommen nachvollziehbar – und unbestritten.
Aber wünschen wir uns MusikerInnen nicht mehr?
Mehr Verständnis -
für das, was wir tun?
für das, wer wir sind?
für das, was wir durch unsere Musik, durch unsere Interpretation vermitteln möchten?
Findest du dich in diesen Fragen wieder? Sehnst du dich auch nach mehr Resonanz und Sinnhaftigkeit? Fragst du dich, wie oft du noch die immer gleichen Diskussionen mit Schülereltern führen musst, ob ein Konzertbesuch wirklich nötig sei?
Dann ist es Zeit, sich mit Musikvermittlung zu beschäftigen. Denn was nützt die beste Musik, wenn man ihren Mehrwert nicht vermitteln kann?
Ich höre die Skeptiker: Musik spricht für sich selbst. Musik ist eine universelle Sprache, die keine Erklärung bedarf. Oh doch – sie braucht Vermittlung!
Dem Publikum von morgen fehlt häufig der Zugang – insbesondere zur klassischen Musik. Sie verstehen nicht, warum ein Konzertbesuch im nächsten Theaterhaus mehr sein kann als nur ein kultureller Pflichttermin. Deshalb müssen wir Musikerinnen und Musiker beginnen, über unsere Musik zu sprechen und sie zu vermitteln.
Warum ist es also bedeutsam, dass Musikerinnen und Musiker ihre Musik vermitteln?
Hier fünf Gründe:
Vermittlung fördert Identitätsfindung
Um Musik vermitteln zu können, ist ein Bewusstsein über die eigene künstlerische Identität notwendig. Wer bin ich als Musiker/in? Wofür stehe ich mit meiner Musik? Was ist für mich der Sinn an diesem Beruf?
Diese Reflexion führt zu Klarheit, Haltung und Überzeugung – und damit zu Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Vermittlung schafft interpretatorische Klarheit
Wenn die eigene künstlerische Identität geklärt ist, wird auch die Interpretation klarer: Was möchte ich ausdrücken? Welche Emotionen möchte ich beim Publikum hervorrufen? Und wie gelingt mir das? Die Auseinandersetzung mit den Grundfragen der Musikvermittlung stärkt nicht nur die Darbietung selbst, sondern macht sie auch vermittelbar.
Vermittlung fördert Verständnis vom Publikum
Oberflächliche Daten zu Komponisten oder Werken interessieren oft niemanden – vor allem dann nicht, wenn sie ohne Kontext vorgetragen werden. Aber gutes Storytelling, das Hintergründe und Bedeutung aufzeigt, schafft echte Verbindung. Es lässt das Publikum verstehen, was es hört und warum es berührt.
Vermittlung schafft Verbindung
Musikvermittlung ermöglicht eine authentische Begegnung mit dem Publikum. Sie lädt ein, baut Brücken und schafft Nähe – dort, wo Musik allein den Zugang nicht öffnen kann. Sie ist ein zusätzliches Werkzeug, kein Ersatz.
Vermittlung ermöglicht Zugänge für alle
Gute Vermittlungsarbeit bietet Zugang auf vielen Ebenen: Über das Hören, über Sprache, über visuelle Reize, über Atmosphäre. Manche Menschen reagieren stärker auf Worte, andere auf Bilder, wieder andere auf Dramaturgie usw. Vermittlung ermöglicht – im besten Fall – Teilhabe für alle.
Musikvermittlung ist keine Reduktion auf das Einfache, sondern eine Erweiterung des Ausdrucks. Sie schafft Verbindung, öffnet Räume, stärkt die eigene Identität und macht Musik erfahrbarer.
Wer vermittelt, macht nicht weniger Musik, sondern mehr Musik zugänglich und wird dabei selbst authentischer in seinem künstlerischen Tun.
Ihr seid herzlich eingeladen eure Gedanken, Fragen und Erfahrungen mit mir zu teilen –
per Kontaktformular oder via Instagram!😊